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Motivenbericht zur neuen Synagoge – 1967

Erstattet im Namen und Auftrag des Gemeindevorstandes von Wilhelm Schwager, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Linz

Nach der Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Fremd- und Schreckensherrschaft wurden die überlebenden jüdischen Häftlinge des Konzentrationslagers Mauthausen und seiner Nebenlager in Linz und Oberösterreich untergebracht. Im Bestreben, sich und den übrigen ein administratives und religiöses Zentrum zu schaffen, haben initiative Männer aus ihren Reihen vom ehemaligen Gemeindehaus und dem Tempelruinengrundstück in der Bethlehemstraße 26 Besitz ergriffen. Zu ihnen gehörte auch Dipl.-Ing. Simon Wiesenthal, der in der Gemeinde mehrere Jahre als geschäftsführender Präsident tätig war.

Als 1947 und 1948 auch einige ehemalige Linzer Gemeindemitglieder aus der Emigration zurückkehrten, konnte die gesetzliche Grundlage für die Wiedererrichtung der Israelitischen Kultusgemeinde Linz als öffentlich-rechtliche Körperschaft geschaffen und die gerichtliche Rückstellung des 1938 entzogenen Besitzes betrieben werden. Aber erst nach dem Abschluß des Staatsvertrages und dem Abzug der amerikanischen Besatzungstruppen wurde der weitaus größere Teil des Areals, der bis dahin als Abstellplatz für unbrauchbar gewordene Fahrzeuge der amerikanischen Truppen benützt worden war, frei verfügbar.

Nur das Kellergewölbe war vom ehemaligen Tempel übriggeblieben. Das erste Stockwerk des Gemeindehauses, früher die Wohnung des jeweiligen Gemeinderabbiners, war von Mietparteien bewohnt, welche der geltenden Mietengesetze wegen nicht gekündigt werden konnten. Für die Abhaltung der Gottesdienste standen nur die unter dem Straßenniveau gelegenen Räume des Erdgeschosses zur Verfügung. Ihr Zustand war durchaus unbefriedigend und der Wunsch, ein zweckentsprechendes und würdiges Bethaus zu schaffen, gerechtfertigt.

Als teilweise Wiedergutmachung der Schäden, welche den Israelitischen Kultusgemeinden Österreichs durch die Zerstörung der Tempel und sonstigen religiösen Zwecken gewidmeter Gegenstände und Einrichtungen zugefügt worden ist, hat die österreichische Nationalversammlung am 26. Oktober 1960 das Bundesgesetz Nr. 222 beschlossen. Aus diesem Titel stand auch der Kultusgemeinde Linz ein Anteil zur Verfügung, den wir nun widmungsgemäß verwendet haben.

Das rechnerische Ergebnis des Kostenvergleiches eines Neubaues mit den für eine zweckentsprechende Adaptierung des Gemeindehauses notwendigen Aufwendungen sprach zu Gunsten des Neubaues. Bedacht wurde auch, daß eine Adaptierung nur nach Räumung aller von Mietparteien bewohnten Hausteile möglich gewesen wäre. Die Gemeinde hätte aber den Mietern nicht nur gleichwertige Ersatzwohnungen beschaffen, sondern auch auf unabsehbare Zeit den Mietzinsmehraufwand zur Zahlung übernehmen müssen. Weil der für die Bethlehemstraße geltende Stadtverbauungsplan den Abbruch des Hauses vorsieht, wäre die Adaptierung doch nur ein Provisorium geworden. Daher hat sich die Gemeindevorstehung, bestehend aus den Herren Wilhelm Schwager als Präsident, Eugen Friedman als Vizepräsident, Dipl.-Ing. Georg Wozasek als Finanz- und Baurefe rent, Sigmund Albant, Daniel Dworzynski, Rudolf Grüner, Ernst Hartmann, Ernst Hoffmann und Frau Martha Kulka als Mitglieder, im Sinne der ihr durch die Statuten mäßige Vollversammlung vom 8. Mai 1966 erteilten Ermächtigung für den Neubau nach den Plänen und unter der Aufsicht des Linzer Architekten Ing. Fritz Goffitzer entschieden. Die Ausführung des Baues wurde der Baufirma Baumeister Bruno Eisserer in Traun als demgünstigsten Anbotsteller übertragen.

In Fragen der ritualen Raumgestaltung hat uns Se. Ehrwürden Herr Dr. Akiba Eisenberg, Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien in dankenswerter Weise beraten. Mit dem Bau wurde im Februar 1967 in der Absicht begonnen, das neue Bethaus bereits vor dem Neujahrsfest im Oktober einweihen und zu den Feiertagen bereits benützen zu können. Die unvorhergesehene Mächtigkeit des nicht tragfähigen, weil lockeren Erdreiches, hat die Grundierungsarbeiten so verzögert, daß der Termin nicht eingehalten werden konnte.

Am 24. Mai 1967 sprachen die Mitglieder der Baukommission Wilhelm Schwager, Eugen Friedman und Dipl.-Ing. Georg Wozasek beim Herrn Landeshauptmann Dr. Heinrich Gleißner vor, um ein Ansuchen um einen Landesbeitrag zu überreichen. Wir danken an dieser Stelle nochmals für die verständnisvolle Aufnahme, die wir und unser Ansuchen bei ihm gefunden haben. Über seinen, vom Herrn Landesrat Franz Plasser unterstützten Antrag hat die oberösterreichische Landesregierung das Ansuchen in vollem Umfang bewilligt. Es hat die besondere künstlerische Ausgestaltung des Betraumes, die gärtnerische Anlage des Vorplatzes und die Beschaffung einer neuen Thora-Rolle aus Israel ermöglicht. Über die damit geschaffenen Werke berichten deren Schöpfer, die Herren Prof. Fritz Fröhlich, Linz, und Arno Lehmann, Salzburg, in eigenen Beiträgen. Eine Dankesschuld haben wir gegenüber dem Stadtbauamt des Magistrates der Landeshauptstadt Linz abzutragen für das unbürokratische Entgegenkommen, das uns von sämtlichen mit unserer Angelegenheit befassten Herren dieses Amtes bei der Überwindung formeller Schwierigkeiten bewiesen worden ist.

Das Gelingen des Werkes ist der vorbildlichen Zusammen- und Mitarbeit der drei Herren der Baukommission, des Sekretariates und dem weit über seine vertraglichen Verpflichtungen hinausgehenden persönlichen Einsatz des Architekten Ing. Fritz Goffitzer zu danken.

Der Bau, den wir, SO GOTT ES WILL, am 2. April 1968 mit dem feierlichen Einzug der Thora-Rollen für seine Bestimmung weihen wollen, soll eine Andachtsstätte unseres heiligen Glaubens, ein Ehrenmal für alle, welche tätig oder unterstützend für sein Zustandekommen gewirkt haben, aber auch ein würdiges Zeugnis für den Geist der Toleranz und des menschlichen Verständnisses sein, der in unserem Heimatland Oberösterreich und dessen Hauptstadt Linz wieder Einkehr gehalten hat. Es ist das sechste jüdische Gotteshaus, das in geschichtlicher Zeit in Linz nachweisbar entstanden ist. Daher schließe ich mit dem Wunsch, daß es das Fortbestehen der heute so kleinen Gemeinde sichern, zu ihrem Gedeihen beitragen und unsere Entscheidung, es zu erbauen, in aller Zukunft rechtfertigen möge.