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Die Arbeit im neuen jüdischen Bethaus

Von akad. Maler Prof. Fritz Fröhlich, Linz

Die Anregung der Darstellung der 12 Stämme Israels bekam ich durch das Studium der Verse 10 bis 26, Abschnitt 49, 1. Buch Moses: „Jakob segnet seine Söhne“.

Das formale Gerüst der sich über die vier Wände ausdehnenden Wandmalerei ist in den Hauptgewichten durch die Architektur bestimmt. Technisch ist es Malerei im nassen Putz, Fresco buono auf angeschnittenen Mörtelschichten.

Der Text der Bibelstelle behandelt in dichterisch-gleichnishafter Form Verhaltensweisen des Menschen. Die stark bildhaft akzentuierten Einzeldarstellungen sind untereinander scharf geschieden, ein Umstand, der durch die Wesensgleichheit der „Brüder“ SIMEON und LEVI noch betont wird. Ähnlichkeit zweier Brüder tritt bei DAN und GAD auf. Beide sind zur Abwehr des Feindes berufen. Bei DAN liegt der Akzent auf Klugheit und List, bei GAD auf Beharrlichkeit. Bei den übrigen acht Stämmen tritt die Eigenständigkeit des Wesens deutlich hervor. Die Figurationen des Wandbildes sind unmittelbar der vorstellungshaften und nachschaffenden Bearbeitung des Bibeltextes entsprungen. Es sind nicht Illustrationen der Schau des Dichters, sondern ihre optisch lesbare Form.

Die Reihe der Darstellungen beginnt linksläufig rechts vom Eingang mit:

RUBEN. – Zwiespältig veranlagt, verwirkt er die ihm als Erstgeborenem zugefallene Macht, indem er das Gesetz übertritt. Halb Vogel (Sonnenglanz spiegelnd durch erborgtes Licht) – halb Fisch, dem wässerigen Element zugeordnet, bleibt sein Wesen dem Stofflichen verhaftet, der „Aufstieg“ misslingt.

SIMEON und LEVI – sie sind Brüder, schnell entflammt, Willen unbedacht in Tat umsetzend, mutwillig zerstörend, getrieben, daher das Bild der Stiere. Zerstörung ist immer auch Selbstzerstörung. Schöpferisches Rasen, eine Form der Selbstzerstörung.

In JUDA heftet sich Fülle und Glanz an die Tugenden des Herrschers. Dem Text, der an dieser Stelle lobpreisend prophetisch wird, entspricht in meiner Darstellung das Pathos der Gestik. Löwe (die Stärke), Zepter (die Macht), Krone (die Würde) sind Beifügungen, ebenso wie das Eselfüllen, das „er an den Weinstock bindet“.

In SEBULON steht die Welt der Fischer vor uns. Empfindungen, die sich an Meer und Schifffahrt knüpfen, leiten die Darstellung. ISSACHAR – „sei ein knochiger Esel“. Der Text wandelt sich ins Bukolische. Selbstbescheidung, innere Ruhe, Ausgeglichenheit, Geborgenheit werden im Bild gegenwärtig.

DAN und GAD sind die auf dem Recht Bestehenden. List als strategisches Mittel (die Schlange am Weg beisst das Pferd, so dass der Reiter stürzt) und Dämonie des Tötenmüssens im gerechten Zorn motivieren die Darstellung. Krieg – verhängnisvollstes Handeln, Darstellung des Kriegsdämons: massiver Leib, gegliedert in mechanisch bewegliche Teile, das ist die Unterordnung unter den Befehl, der Totalverlust der Freiheit des Individuums, der Zusammenbruch der Vernunft, der Aufstand der Triebe. Der Spiegelblitz über dem Auge als Zornreflex auf den gewaltsamen äusseren Reiz. Abwehrgeste, Schwurgeste.

ASSER. „Von ihm kommt fettes Brot.“ Brot ist Nahrung. Der Mensch, wie jedes organische Wesen dem Zwang zur Nahrungsaufnahme unterworfen, eingefügt in den Kreislauf des Stoffes, sublimiert, verwandelt Stoffliches in „Schau“. Indem er durchschaut, entzieht sich der Mensch dem Chaos, bindet er sich ordnend an Ordnung, entzieht er sich der Verfallenheit.

NAPHTALI „sei wie eine Hindin“. Der Textteil ist knapp und eindringlich. Hindin-Hirschkuh, weiblich, waffen los, schnellfüßig, dunkeläugig. Liebliche Reden, heisst es, kommen von diesem Stamm. Reden, das ist aufgerichtet, aufrecht sich an das DU wenden, sich mitteilen, sich teilen, einem Überpersönlichen sich einfügen, eingehen, aufgehen im Höheren, Vereinigung vollziehen, das Schicksal der Ausformung zum Einzelwesen wieder aufheben.

JOSEPH ist ein „Fruchtbaum am Quell“. Ihm wird gegeben die „Segensfülle von oben und die Segensfülle aus der Flut, die unten lagert“.

BENJAMIN „ist ein reissender Wolf, am Morgen verzehrt er Raub, am Abend teilt er die Beute“. Väterliche Fürsorge ist ihm Zwang, treibt ihn.

Wie jede große Dichtung, ist die Charakterisierung der zwölf Stämme im „Jakobsegen“ als Verbundenheit des irdischen Ganzen, als Umfassung des allgemein Menschlichen aufzufassen.

Die Vision und das Werk

Von Arno Lehmann, Salzburg

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Ewiges Licht. Alle irdischen Lichter erlöschen, nur das Ewige Licht glimmt, bewahrt und führt uns durch die längste Nacht menschlicher Unvollkommenheit. Glühe, glimme liebes Licht – glimme und verglühe nicht – wenn auch alle Wasser fallen auf dich nieder.

Die schwebende Gestalt symbolisiert in ihrer Form und Farbe den seelisch-geistigen Horizont der Nacht, nach der ein Morgen dämmert. Die Bewahrung dieser Gestalt kennzeichnen zwei nach innen geneigte Blätter.

Die Leuchter. Die geistige Urform der zwei Leuchter, die dem Seelenbaum des Menschen gleicht, wurde mit dem Gewand aus hochverglühten Erden behangen.

„Ich werde dich kleiden mit dem, was in dir ist und still in dir sich regt.“

Das Laub dieses Baumes mündet in der Krone in Kelche zur Aufnahme der Feuerschalen. Die beiden großen, über zwei Meter hohen Leuchter erinnern mich nun nach ihrer Vollendung an die aufgerollten, stark zerfallenen Fragmente der althebräischen Schriftrollen, die, in zwei tönernen Urnen verwahrt, von einem Hirten in den Uferhöhlen des „Toten Meeres“ gefunden worden sind. Die Details der beiden Leuchter sind Notenschrift dieses „Hohen Liedes“. Aus Erde wurden sie geformt, im Feuer verdichtet, denn: „im Feuer eilest du, Element, dir selber zu“.

Verdichtung des Tones, der Seele und des Geistes im Gleichklang ergibt Wesenheit.